„Zukunft braucht Herkunft. Ethische Perspektiven für ein würdevolles Lebensende“ 09.10.2025
Die Arbeitsgemeinschaft Viaticum hielt am 9. Oktober 2025 ihre diesjährige Ethiktagung im Landeskrankenhaus Rankweil ab. Unter dem Titel „Zukunft braucht Herkunft. Ethische Perspektiven für ein würdevolles Lebensende“ konnte das Team unter der Leitung von DGKP Arthur Bertsch namhafte Referent:innen zu diesem aktuellen wie hochsensiblen Thema gewinnen: „Das Sterbeverfügungsgesetz hat im Pflege- und Gesundheitsbereich zu neuen Herausforderungen geführt – insbesondere im Umgang mit assistiertem Suizid. Mit unserem Thema möchten wir mögliche Handlungsansätze und Orientierungen für Mitarbeitende in den betroffenen Berufsgruppen aufzeigen. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Patient:innen und ihren Angehörigen in dieser sensiblen Lebensphase zu stärken und einen verantwortungsvollen, ethisch reflektierten Umgang mit dem Thema zu fördern.“
„Die Aktivitäten der Arbeitsgruppe Viaticum schätze ich sehr“, betonte etwa der ehemalige Chefarzt des LKH Rankweil und einer der Vortragenden, Dr. Albert Lingg: „Sich mit ethischen Themen zu befassen, tut gerade in unserer Zeit not.“
Lernen aus der Vergangenheit
Dr. Albert Lingg näherte sich dem Tagungsthema aus besonderen, historisch gewachsenen Blickwinkeln heraus an: „Aus der Geschichte der Valduna lassen sich viele Lehren für heute ziehen. An ausgewählten Stationen dieser Entwicklung wird deutlich, wie sehr insbesondere die Einstellung gegenüber kranken und behinderten Mitmenschen – und damit auch der Umgang und ihre Versorgung – vom jeweiligen Zeitgeist, von herrschenden Ideologien sowie herausragenden Persönlichkeiten geprägt waren, sei es zum Guten oder zum Schlechten. Gerade durch das Lernen aus der Vergangenheit kann unser ethischer Kompass heute menschenfreundlich ausgerichtet werden.“
Als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie habe er seit vielen Jahren die Entwicklungen aufmerksam verfolgt, insbesondere während seiner regelmäßigen Aufenthalte in den Niederlanden und im Kontakt zu seinen Schweizer Kolleg:innen: „Als in der Suizidprävention engagierter Psychiater warne ich seit Langem vor den oft unterschätzten negativen Auswirkungen eines leicht zugänglichen Angebots von Sterbehilfe, wie es in zahlreichen Ländern eingeführt wurde“, erklärte er seine Ansichten.
Sterben als Teil des Lebens
OA DDr. Klaus Gasser, ärztlicher Leitung des „Hospiz am See“ und Facharzt für Innere Medizin (Bereichsleitender Oberarzt für Hämatologie & Onkologie am Landeskrankenhaus Feldkirch), beleuchtete (Sterbe-)Begleitung im Wandel der Zeit aus hospizlicher Sicht: „Sterbebegleitung heißt, einen Menschen auf seinem letzten Weg nicht allein zu lassen. Sie schenkt Nähe, Trost und Würde in einer Zeit, in der belastende Symptome wie Angst und Schmerz oft überwiegen. Ethisch bedeutet sie, die Wünsche des Sterbenden zu achten, Leiden zu lindern und Raum für Abschied zu geben.“ Aus hospizlicher Sicht habe sich laut DDr. Klaus Gasser der Blick auf das Lebensende gewandelt: „Weg vom Verdrängen, hin zu einer Kultur des Daseins. Ziel ist es, Sterben wieder als Teil des Lebens erfahrbar zu machen.“
Menschen in der letzten Lebensphase ernst nehmen
„Der nahende Tod stellt Menschen vor große Herausforderungen, medizinischer, existentieller und spiritueller Art“, betonte Krankenhausseelsorgerin MMag.a Dr.in Juliana Troy in ihrem Vortrag: „Der Verlust der Autonomie, die Angst vor Schmerzen und das Abschiednehmen von geliebten Menschen, Träumen und Zielen kann als Last und Untragbarkeit empfunden werden, sodass die selbstbestimmte Entscheidung, dem Leben ein Ende zu setzen, als Ausweg gesehen wird. Das Argument, in Würde sterben zu dürfen, zählt zu einem der stärksten Impulse für die Entscheidung zum assistierten Suizid. Werden Patient:innen jedoch in ihrer letzten Lebensphase ernst genommen, begleitet und mit ihren Ängsten und Fragen, mit ihrer Sorge nach Verlust ihrer Würde nicht allein gelassen und auch ihre Angehörige, Familien und Freunde dahingehend begleitet, zeichnet sich oftmals ein ganz anderes Bild. Dass Sterben nicht nur ein abruptes Ende, sondern ein „abschiedlich Leben“ sein kann.“ Welche Möglichkeiten ein bewusstes Sterben – mit all seinen Herausforderungen – für Patient:innen und deren Angehörige haben kann, hat sie in ihrem Vortrag beleuchtet.
Professioneller pflegerischer Auftrag
Weiters auf dem Podium standen Mag. Alexander Wolf (Patientenanwaltschaft für das Land Vorarlberg), Univ. Prof. Dr. Joachim Bauer (Facharzt für Innere Medizin und Psychiatrie), OA Dr. Bernhard Schwärzler (Innere Medizin LKH Hohenems) sowie DGKP Angelika Feichtner, MSc. Die Autorin und Fachfrau aus dem Bereich „Palliative Care“ und Hospizarbeit beleuchtete den assistierten Suizid aus Sicht der Pflege: „Häufig sind Pflegepersonen die ersten Adressat:innen für einen Wunsch nach Suizidbeihilfe. Und durch die Nähe, die sich in einer Pflegebeziehung ergibt, können sie die Hintergründe und Belastungen, die zu einem Wunsch nach assistiertem Suizid führen, meist gut erfassen“, sprach die Expertin aus Erfahrung. „Der adäquate Umgang mit Sterbe- und Suizidwünschen ist Bestandteil des professionellen pflegerischen Auftrags. Auch wenn Pflegepersonen keinesfalls dazu verpflichtet werden können, Beihilfe zu leisten, kann sich für sie ein moralisches und ethisches Dilemma ergeben.“ Besonders wichtig seien hier entsprechend professionelle Vorgaben der jeweiligen Institutionen.
Inhaltlich wurde das Tagungsthema also von unterschiedlichen fachlichen Seiten aus beleuchtet. Einen Überblick finden Sie im unten verlinkten Programmfolder sowie in den angefügten Vorträgen in schriftlicher Form.
Factbox:
Die Arbeitsgruppe Viaticum am LKH Rankweil wurde gegründet, um mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse schwerkranker und sterbender Patient:innen und deren Angehörigen zu schaffen. Viaticum ist fachübergreifend tätig und besteht aus Pflegefachkräften, Ärzt:innen und Mitarbeiter:innen der Krankenhausseelsorge.
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