Österreichpremiere am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch 28.04.2025

Neue KI-unterstützte Bestrahlungstechnologie bringt Vorteile für Patient:innen und Personal
Nach der Weltpremiere Anfang 2025 in Berlin läutet das LKH Feldkirch als zweites Krankenhaus nun auch für Österreich eine neue Ära der personalisierten Strahlentherapie ein. Es ist eine Therapie, die eine „echtzeit-adaptive“, also zeitnahe Bestrahlung an die im Moment bestehenden Gegebenheiten erlaubt. Die neuartige Tumorbestrahlungstechnologie am Linearbeschleuniger „Elekta Evo“ mit KI-unterstütztem CT ist am 30. April 2025 erstmals in der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie im klinischen Einsatz. Möglich macht das ein ausgesprochen engagiertes Team rund um Primar Univ.-Doz. Dr. Alexander de Vries, das gemeinsam die neue Technologie für die Patient:innen nutzbar machen möchte. Durch künstliche Intelligenz gestützte Bildgebung erlaubt es, die anatomischen Gegebenheiten besser und genauer zu erkennen. Somit kann das zu bestrahlende Volumen noch exakter an Tumore angepasst werden.
Ziel ist es, den „Sicherheitssaum“ – also gesundes Gewebe rund um den Tumor, das zur Sicherheit mitbestrahlt werden muss – so klein wie möglich zu halten. Die neue KI unterstützt diese schnellere und noch gezieltere Bestrahlung, was in Folge deutlich weniger Nebenwirkungen für die Patient:innen bedeuten sollte. Gerade Lebensqualität kann durch präzisere, personalisierte Möglichkeiten der Tumorbekämpfung nachhaltig verbessert werden. Die Expert:innen erhoffen sich auch gesteigerte Heilungschancen durch Dosisanpassungen.
Bestrahlungsplan wird individuell angepasst
„Wir nennen diese Möglichkeit adaptive Strahlentherapie“, erklärt Medizinphysikerin Eva Partoll, MSc, vom Institut für Medizinische Physik am LKH Feldkirch. „Adaptive Bestrahlung bedeutet, dass bei jeder Bestrahlung eine Echtzeitanpassung des Bestrahlungsplans an die tatsächliche Anatomie ermöglicht wird. Das ist wichtig, um den sich ändernden Reaktionen des Krebses auf die Strahlentherapie oder Änderungen der den Tumor umgebenden Strukturen (wie etwa der Größe und Position des Tumors und der Lage benachbarter Organe) Rechnung zu tragen.“ Denn Tumore und Organe können sich im Laufe einer Therapie in Größe, Form und/oder Lage verändern, beispielsweise durch Schwellungen, Gewichtsverlust oder eine Verkleinerung des Tumorvolumens. Mit adaptiver Strahlentherapie wird der Bestrahlungsplan regelmäßig und noch am selben Tag aktualisiert. Das System berücksichtigt die Veränderungen im Körper umgehend. „Personalisierte Strahlentherapie basiert auf dem Prinzip, dass jede Behandlung exakt auf die individuelle Situation des/der Patient:in zugeschnitten ist – und das nicht nur zu Beginn, sondern fortlaufend während der gesamten Therapie. Das wird durch die Technologie des neuen Linearbeschleunigers besser möglich - bzw. da wollen wir in Zukunft hin.“
Die ersten Patienten, die am LKH Feldkirch mit der neuen Technologie bestrahlt werden, sind Männer mit Prostatakarzinom. Denn vorerst ist die neue KI noch speziell für den Beckenbereich ausgerichtet. In Folge sollten dann Schritt für Schritt alle Patient:innen davon profitieren können.
Hohe Bildqualität und rasche Reaktion auf Veränderungen
Die Verwendung von künstlicher Intelligenz in den Vorarlberger Landeskrankenhäusern ist grundsätzlich nichts Neues: Bereits im bestehend Behandlungsworkflow verwendet unter anderem auch das Team der Abteilung für Radioonkologie und Strahlentherapie längst schon moderne KI-Systeme – etwa zur Konturierung von Organen am CT-Bild für die Erstellung eines Bestrahlungsplanes.
„Nun profitieren wir am neuen Linearbeschleuniger noch in zusätzlichen Bereichen von der Leistung der KI“, beschreibt die Medizinphysikerin zwei der wichtigsten Vorteile: „Zentral für die KI-unterstützte Technologie am neuen LINAC Evo ist zum einen eine optimierte Bildgebung, also eine noch bessere Qualität der Bilder als bisher. Die Konturierung zu Beginn einer Therapie wird nach wie vor von unserer bewährten KI-Software durchgeführt und im Anschluss von Radiologietechnolog:innen und dem medizinischen Personal kontrolliert und ergänzt. Neu kommt nun dazu, dass zusätzlich zur Konturierung am Planungs-CT die KI jetzt auch direkt während der Therapie am LINAC Evo verwendet werden kann. Dadurch können unmittelbar und damit sehr schnell die Bilder bearbeitet und auf mögliche Veränderungen reagiert werden – eben genau das, was eine adaptive Strahlentherapie ausmacht.“
Weniger Sitzungen für Patient:innen
Die Planung einer Strahlentherapie ist sehr komplex, denn die Behandlung erstreckt sich über mehrere Wochen und der Körper kann sich in diesem Zeitraum stark verändern – je nach Körperregion sind sogar tägliche Änderungen möglich. Bislang läuft die Behandlung nach einem im Vorhinein geplanten Schema ab. Die tägliche Bildgebung dient dazu, die Patient:innen exakt am Behandlungstisch zu positionieren. „Anatomische Veränderungen werden damit auch jetzt schon täglich sorgfältig kontrolliert und erfasst“, weiß Eva Partoll. „Und bei Veränderungen wird der Bestrahlungsplan auch angepasst – adaptiert – allerdings offline, sprich: so zeitaufwändig, dass nicht sofort reagiert werden kann, sondern der angepasste Plan erst am nächsten Tag verabreicht werden kann. Denn die Neuberechnung eines Bestrahlungsplanes nimmt bislang einen ganzen Tag in Anspruch. Künftig wird das nur mehr wenige Minuten dauern, die Patient:innen können im Behandlungsraum bleiben und werden direkt mit dem neuen, angepassten Plan bestrahlt. Das bedeutet, die einzelnen täglichen Sitzungen werden zwar ein bisschen länger dauern, dafür müssen die Patient:innen weniger oft kommen.“
Schonendere Behandlungswege
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Adaptive Strahlentherapie dürfte künftig eine spürbare Erleichterung für Patient:innen bringen. Der neue LINAC Evo und die dazugehörige Software ermöglichen es, dass bei anatomischen Veränderungen – etwa jener der Tumorgröße – sofort reagiert werden kann. Es wird direkt – noch in Anwesenheit des/der Patient:in – ein neuer Bestrahlungsplan berechnet, verifiziert und im Anschluss entsprechend angepasst bestrahlt. Damit eröffnen sich Perspektiven für insgesamt kürzere Behandlungszeiten.
Die regelmäßige Anpassung an die individuelle Anatomie hat auch zur Folge, dass gesundes Gewebe noch besser geschont wird: „Da uns die neuen Techniken in unserem täglichen Wirken unterstützen, wir so die zu bestrahlenden Regionen täglich anpassen können, sind wir sicher, dass unsere Patient:innen dadurch profitieren“, ist Primar Dr. Alexander de Vries überzeugt. „So werden sich die schon relativ niedrigen Nebenwirkungen noch mehr minimieren.“ Eine weitere Hoffnung sei, dass durch diese hohe, tägliche Genauigkeit unter Schonung des Normalgewebes eventuell die Dosis im Tumorbereich erhöht werden kann: „Entweder durch höhere Dosis pro Bestrahlungstag oder durch höhere Insgesamt-Dosen. Das sollte zu einer Verbesserung der Heilungschancen führen.“
Weniger Kompromisse und engere Zusammenarbeit
Nicht nur für Patient:innen öffnet der Fortschritt neue Möglichkeiten, auch das behandelnde Team hat Vorteile: Einerseits können Veränderungen am Tumor oder an Organen sofort erkannt und berücksichtigt werden: „Das bedeutet weniger Kompromisse auf dem Behandlungsweg. Adaptive Verfahren fördern auch den interdisziplinären fachlichen Austausch zwischen Medizinphysik, Medizintechnik, Radiologietechnologie sowie pflegerischem und ärztlichem Personal - alle arbeiten noch enger zusammen an einer maßgeschneiderten Behandlung“, ist sich Medizinphysikerin Eva Partoll, MSc, sicher. „Und das fördert die Motivation.“
Denn eines ist bei aller Unterstützung durch die KI sicher: Der Mensch ist und bleibt der wichtigste „Behandlungsfaktor“ während der Therapie. „Die KI hilft uns. Aber wir als Menschen geben die Verantwortung nicht ab und bestimmen letztendlich, was wir mit den Erkenntnissen machen“, betont das Team unisono.
Foto-Infos:
Gruppenbild: Ein Teil des Teams „Radioonkologie & Strahlentherapie“ und „Institut für Medizinische Physik“ am LKH Feldkirch; ©VLKH
Linearbeschleuniger „Elekta Evo“ mit KI-unterstütztem CT am LKH Feldkirch; ©VLKH
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